Willkürliches Urteil des Verwaltungsgerichts Basel-Stadt Teil 1

Betrifft: Verfügung der Vormundschaftsbehörde vom 26.10.1981 - Einweisung ins Schulheim Klosterfiechten

Mit einem Nichteintretensentscheid urteilte das Verwaltungsgericht am 11.06.2019. Dennoch äusserte es sich zum Sachverhalt wie folgt:

1.2. Streitgegenstand des vorliegenden Verfahrens ist die gegen dessen Willen erfolgte Platzierung des Beschwerdeführers im Schulheim Klosterfiechten. Diese wurde zunächst mit einer von den Eltern des Beschwerdeführers einerseits und von einem Vertreter des Sozialpädagogischen Dienstes der Schulen des  Kantons Basel-Stadt, dem Vorsteher der Vormundschaftsbehörde und einer Mitarbeiterin der Koordinationsstelle für Alkohol- und Drogenfragen andererseits unterzeichneten Vereinbarung vom 26.09.1981 verabredet. Die Vormundschaftsbehörde stimmte vom 26.10.1981 gestützt auf §§ 35 und 43 des damaligen Gesetz über die Vormundschaftsbehörde und den behördlichen Jugendschutz (VBG) der Unterbringung zu Gemäss § 43 Abs 1 VBG konnten Eltern, die ihr Kind für versorgungsbedürftig erachteten […] das Jugendamt um dessen Unterbringung in einer Familie oder Anstalt ersuchen. Das Amt hatte dann den Sachverhalt festzustellen und den Unmündigen anzuhören. Es regelte die Unterbringung des Kindes nach den Anträgen der Eltern, soweit die Anträge der Eltern mit dem Wohle des Kindes vereinbar waren. Fehlte eine Zustimmung der Eltern oder verlangte es der zu versorgende Jugendliche, so war die Sache dem Jugendrat zur Entscheidung vorzulegen. Die Beschwerde richtet sich somit gegen eine Verfügung der Vormundschaftsbehörde  als Vorgängerin der heutigen KESB.

Kommentar und Rechtsvergleich: Gemäss geltendem Vertragsrecht müssen Vereinbarungen (=Verträge) sich auf gegenseitigen übereinstimmenden Willensäusserungen stützen. Dass die Unterbringung auf eine solche Willensäusserung basiert muss verneint werden. Wäre ein Begehren der Eltern - und das war Grundvoraussetzung für die Anwendung von § 43 VBG - vorhanden gewesen, warum musste man dann annehmen, die Eltern könnten das Kind wieder aus dem Heim nehmen. Das ist ein Widerspruch. Per Vertrag auf die Ausübung des Aufenthaltsbestimmungsrecht zu verzichten, bzw. dieses den Behörden zu überlassen ist absurd und nur unter Anwendung von Art. 310 ZGB möglich. Diese Vereinbarung war gemäss Art. 20 OR und Art. 2 ZGB nichtig. So lag überhaupt keine Begehren der Eltern vor. Es gibt keine Protokolle oder Aktennotizen, aus welchen solch ein Sachverhalt hervorgeht. Es geht aber aus Berichten hervor, dass es das Bestreben des sich damit befassenden Sozialarbeiters war. Mir selbst wurde kein rechtliches Gehör geschenkt. Die Formulierung des § 43 ist nicht so im Gesetz, sondern:

"§ 43. Eltern, die ihr Kind für versorgungsbedürftig erachten, können das Jugendamt um dessen Unterbringung in einer Familie oder Anstalt ersuchen. Das Amt prüft den Sachverhalt und hört den Unmündigen an.
2 Das Amt regelt die Unterbringung des Kindes nach den Anträgen der Eltern, soweit diese mit dem Wohle des Kindes vereinbar sind; stimmen die Eltern seinen Vorschlägen nicht zu oder verlangt es der zu versorgende Jugendliche, so ist die Sache dem Jugendrat zur Entscheidung vorzulegen. Das Amt hat, wenn nötig, den Eltern Kostenbeiträge zu vermitteln und kann nach § 19 Staatsbeiträge gewähren".


Weder haben die Eltern Anträge gestellt noch war es zum Wohle des Kindes. Anträge sind rechtlich gesehen immer einseitige Handlungen. Gemäss § 43 musste das Begehren der Eltern vorliegen und nicht jenes der Behörde. Eine Zustimmung einer behördlichen Unterbringung nach § 43 entspricht einem Rechtsmissbrauch. Diesen Jugendrat stellte man damals so dar, dass mit einem Entscheid das Sorgerecht entzogen würde. Dies ist natürlich blödsinnig, denn der Rat bestand aus drei voneinander unabhängigen Personen und war zum Schutz von willkürlichem Handeln gedacht. Der Jugendrat hätte niemals einen solchen Entscheid getroffen, nachdem eine psychiatrische Abklärung zum Schluss gekommen war, dass es nicht zum Wohle des Kindes ist. 

1.3. Beschwerden sind innert gesetzlicher Frist zu erheben. Diese ist im Fall der Verfügung der Vormundschaftsbehörde vom 26.10.1981 längst abgelaufen, so dass auf die Beschwerde vom 02.07.1981 nicht eingetreten werden kann.

1.4. Die Verfügung der Vormundschaftsbehörde ist nicht angefochten worden, sodass auch kein revisionsfähiges Urteil des Verwaltungsgerichts vorliegen kann. Daraus folgt, dass das Verwaltungsgericht zur Beurteilung der Eingabe des Beschwerdeführers, soweit darin ein Revisionsgesuch zu sehen ist, nicht zuständig ist. Auch insofern kann auf die Beschwerde nicht eingetreten werden. 

Kommentar: Es war keine Rechtsmittelbelehrung vorhanden, weshalb die Eltern, welche nicht rechtskundig waren und nicht verstanden hatten, dass sie sich beschweren konnten dies nicht taten. Aus einem formeller Fehler darf den Betroffenen kein Nachteil entstehen und eine Verfügung bleibt anfechtbar. Es ist also nicht so, dass man auf das Rechtsmittel verzichtet hatte, sondern man wusste nicht, dass man eines hatte. Vor 40 Jahren stellte man das Handeln der Behörden weniger in Frage als heute. Man glaubte ihnen.

2.1. Selbst wenn die Beschwerde fristgerecht bei der zuständigen Behörde eingereicht wäre, stellte sich die Frage, ob auf das Feststellungsbegehren eingetreten werden könnte.

Für das Eintreten auf ein Feststellungsbegehren bedarf es gemäss § 13 Abs. 1 VRPG eines schutzwürdigen Interesses […] Dies ist nach der Praxis dann der Fall, wenn die Anfechtung für die rekurrierende Partei sowohl beim Einreichen des Rekurses als auch im Zeitpunkt der Urteilsfällung eine praktische Bedeutung hat und die Gutheissung ihres Rechtsmittels ihr einen gegenwärtigen und praktischen Nutzen einträgt in dem Sinn, dass dadurch der Eintritt eines wirtschaftlichen, ideellen, materiellen oder anderen Nachteils verhindert wird. Ein solches Interesse kann dem Beschwerdeführer aufgrund seiner Akten und seines biographischen Interesses, die ihn betreffende kindesschutzrechtliche Verfügung der damaligen Vormundschaftsbehörde aufzuarbeiten, nicht abgesprochen werden. 

2.2. Mit seiner Beschwerde verlangt der Beschwerdeführer die Feststellung der Widerrechtlichkeit der Verfügung der Vormundschaftsbehörde vom 26.10.1981, mit der diese der Unterbringung des Beschwerdeführers im Schulheim Klosterfiechten zugestimmt hat. Er verlangt deren Nichtigerklärung.

2.2.1. Die streitgegenständliche Verfügung der Vormundschaftsbehörde ist in Rechtskraft erwachsen, soweit sie nicht als nichtig erscheint. Nichtigen Verfügungen geht jede Verbindlichkeit und Rechtswirksamkeit ab. Die Nichtigkeit ist jederzeit und von sämtlichen staatlichen Instanzen von Amtes wegen zu beachten. Eine Verfügung ist nichtig, wenn sie einen besonders schweren und offensichtlichen oder zumindest leicht erkennbaren Mangel aufweist und die Nichtigkeit die Rechtssicherheit nicht ernsthaft gefährdet. Inhaltliche Mängel haben nur in seltenen Ausnahmefällen und nur bei ausserordentlicher Schwere Nichtigkeit zur Folge. Als Nichtigkeitsgründe kommen hauptsächlich funktionelle und sachliche Unzuständigkeit der entsprechenden Behörde sowie krasse Verfahrensfehler in Betracht. 

2.2.2. Der Beschwerdeführer macht geltend, die auf § 43 VBG abgestützte Verfügung vom 26.10.1981 sei nicht korrekt. Seine Eltern hätten keinen Antrag gestellt und die Vereinbarung mit ihnen könne nicht als Antrag verstanden werden. Sinngemäss bringt der Beschwerdeführer damit vor, dass die Vormundschaftsbehörde nicht zuständig gewesen sei, die Verfügung vom 26.10.1981 zu erlassen.  Darin kann dem Beschwerdeführer nicht gefolgt werden. Aus der Vereinbarung vom 28.09.1981 geht zwar hervor, dass die Behörde bei der weiteren Platzierung des Beschwerdeführers nach seinem Austritt aus dem Bürgerlichen  Waisenhaus die Initiative innegehabt hat. (Hoppla!!! Sollte auf ein "zwar" nicht ein "aber" oder "jedoch"  "doch", folgen?).Dies geht bereits aus deren Wortlaut hervor, wonach "die Eltern […] selber […] Kenntnis nehmen, dass eine Rückkehr des Beschwerdeführers in die Familie vor dem Abschluss der obligatorischen Schulzeit nicht in Frage komme". Es findet sich in den Akten auch darin weiteren Ausdruck, dass der Inhalt der Vereinbarung bereits zuvor an einer Helferkonferenz ohne Teilnahme der Familie besprochen worden ist. Weiter wurde den Eltern in der Vereinbarung vom 28.09.1981 bei einer Herausnahme ihres Sohnes aus dem Schulheim ein Unterbringungsentscheid des Jugendrates in Aussicht gestellt. Gleichwohl haben die Eltern aber vor diesem Hintergrund die Vereinbarung unterzeichnet und damit einen fürsorgerischen Unterbringungsentscheid des Jugendrates gemäss § 44 VBG vermieden. Den Akten kann auch entnommen werden, dass sich die Eltern als nicht mehr in der Lage erklärt haben, ihren Sohn aus eigenen Kräften zu erziehen (Schreiben des Jugendamts vom 30.09.1981). Daraus folgt die Zuständigkeit der Vormundschaftsbehörde gemäss § 43 VBG. Es kann daher nicht von einer Verfügung ausgegangen werden, die zufolge offensichtlicher Unzuständigkeit der verfügenden Behörde nichtig ist. 

Kommentar: Ich selbst kann der Auslegung im ersten Satz  (2.2.2.) auch nicht folgen. Ich sagte, dass § 43 VBG nur auf Begehren der Eltern anwendbar war. Ein solches liegt nicht vor. Die Behörden hatten durchaus Möglichkeiten eine Unterbringung durch Entzug des Aufenthaltsbestimmungsrecht gehabt, aber jede dieser Massnahmen wäre daran gescheitert weil die Eltern nicht wirklich einverstanden waren und die Kinderpsychiatrie sowie ich, auch nicht. Dies ist Aktenkundig. So heisst es in einem Protokoll des Waisenhauses, dass die Eltern zwar zerstritten seien, sich aber dann wieder zusammenfinden um gegen die Behörden zu kämpfen. Man erlangte die Unterschrift durch drohen und nötigen.  Es geht nicht um die Zuständigkeit der Behörde, sondern um die Auslegung und Anwendung von § 43 VBG. Im Urteil vom Verwaltungsgericht werden Tatsachen zwar benannt, begründet werden sie aber nicht. Es wurde dann ein Schreiben vom 30.09.1981, welches an den Jugendanwalt gerichtet war und dazu diente das Handeln der Behörden zu begründen gerichtet. Es gibt keine Aktennotiz oder Protokoll, welches ein Begehren der Eltern belegt. Fast alle angeblichen mündlichen Äusserungen von Drittpersonen sind nicht belegt. Alles Mündliche hätte protokolliert oder mit Aktennotizen festgehalten werden. Diese sind weitaus wichtiger für die Behörden ihr Handeln zu rechtfertigen, als darauf abgestützte Berichte, welche angebliche Aussagen von Drittpersonen wiedergeben.


2.2.3 Des Weiteren rügt der Rekurrent, dass ihm die Verfügung nicht eröffnet worden sei. Er bezieht sich dabei auf eine fürsorgerische Freiheitsentziehung und macht geltend, als 14-jähriger damals diesbezüglich urteilsfähig gewesen zu sein. Gemäss Art. 314a Abs. 2 ZGB in der damals geltenden Fassung war ein Kind, welches das 16. Altersjahr noch nicht zurückgelegt hatte, nicht selber zur gerichtlichen Anfechtung des Entscheides berechtigt. Daraus folgt, dass damals auch keine Grundlage für eine notwendige förmliche Eröffnung jener Verfügung bestanden hat. Belegt ist demgegenüber, dass dem Beschwerdeführer Inhalt des Entscheides zur Kenntnis gebracht worden ist (vgl. Brief des Sozialpädagogischen Dienstes vom 08.10.1981. Auch die Art der Eröffnung der  Verfügung führt somit nicht zu deren Widerrechtlichkeit  bzw. Nichtigkeit. 

Kommentar: Gemäss Art. 314 Abs. 1 hätte ich von den Behörden angehört werden müssen. Ich hätte über meine Rechte aufgeklärt werden sollen. Das Gespräch hätte protokolliert werden müssen. Dies geschah nicht. Das Schreiben des Sozialarbeiters war nur bedrohlich.
§ 15 Abs. 3 VBG sagt: "Kinder im Sinne dieses Gesetzes sind Unmündige bis zum vollendeten 14. Lebensjahr. Jugendliche sind die älteren Unmündigen".
Art. 314a ZGB bezieht sich auf die Anrufung des Gerichtes nach Art. 397 lit. c ZGB.

2.2.4. Schliesslich muss in materieller Hinsicht festgestellt werden, dass aufgrund der erfolgten Einwilligung der Eltern in die Platzierung ihres Sohnes kein Eingriff in ihr Aufenthaltsbestimmungsrecht  als Teil der ihnen zukommenden Obhut über den Beschwerdeführer erfolgt ist. Darin unterscheidet sich denn auch der vorliegende Sachverhalt von jenem, den das Bundesgericht in seinem  Entscheid BGE 121 III 306 zu beurteilen hatte, auf den der Beschwerdeführer verweist.

Kommentar: Sowohl die Vereinbarung als auch die Verfügung, letztere noch speziell, halten eine Einschränkung des Aufenthaltsbestimmungsrecht fest. Man drohte polizeiliche Fahndung, wenn die Eltern von ihrem Aufenthaltsbestimmungsrecht gebrauch machten. Das heisst, wenn sie, wie es formuliert wurde, das Kind aus dem Heim nähmen, was, wie schon erwähnt im Widerspruch zu § 43 VBG ist.  Wozu brauchte es eine Androhung der Polizei, wenn die Unterbringung  auf Begehren der Eltern geschah. Auch bei dieser Feststellung kann ich dem Gericht nicht folgen. Ein Polizeieinsatz konnte nämlich nur dann zum Einsatz kommen, wenn die Obhut nicht mehr bei den Eltern lag. 

2.3. Daraus folgt, dass keine Anhaltspunkte bestehen, dass die streitgegenständliche Verfügung der Vormundschaftsbehörde vom 26.10.1981 als rechtswidrig bzw. nichtig angesehen werden könne. Die vom Beschwerdeführer eingereichten Aktenauszüge legen zwar nahe, dass sich die damals mit ihm befassten Behördenmitglieder offensichtlich von einem anderen Begriff des Kindeswohls haben leiten lassen, als er heute für das Handeln der Kindesschutzbehörden wegleitend erscheint. Dies wird bereits aus dem sprachlichen Umgang des mit  dem Beschwerdeführer betrauten Mitarbeiters des sozialpädagogischen Dienstes deutlich, wie er in dessen Schreiben vom 08.10.1981 beredten Ausdruck findet. Auffällig ist auch, dass sich die Behörden der Einschätzung der Eignung einer neuerlichen Platzierung des Beschwerdeführers durch die Kinderpsychiatrische Universitätspoliklinik für Kinder und Jugendliche nicht angeschlossen haben. Ebenso klar ergibt sich aus der Akte aber der fachlich festgestellte Handlungsbedarf mit Bezug auf den Beschwerdeführer und dessen Familie. Zudem wird der Aufenthalt retrospektiv als wichtige Zeit gewertet (vgl. etwa Bericht PUPKKJ vom 03.05.1982. So gehen unter anderem Alkoholprobleme der Eltern, häusliche Gewalt, die 1980 begonnenen Brandstiftungen des Beschwerdeführers, seine erheblichen Schulprobleme, sein Suchtverhalten, handgreifliche Auseinandersetzung mit dem Vater und Selbstmorddrohungen aus den Akten hervor. Die formell rechtskräftige gewordene Verfügung der Vormundschaftsbehörde vom 26.10.1981 erscheint daher nicht als rechtswidrig bzw. nichtig. 

Kommentar: Eine behördliche Verfügung untersteht gesetzlichen Richtlinien, sogenannten Mindestanforderungen. Diese wurden in der vorliegenden Verfügung nicht eingehalten. 




Verfügungen bedürfen der Schriftform (Art. 34 Abs. 1 VwVG) und enthalten mindestens

  • die Bezeichnung als Verfügung,
  • den Namen der verfügenden Behörde,
  • den Adressaten,
  • die Begründung,
  • das Dispositiv (Entscheid) mit der Rechtsmittelbelehrung sowie
  • Ort, Datum und Unterschrift.
Die unterstrichenen Anforderungen wurden nicht erfüllt. Es sind Mindestanforderungen. Es fehlt ein Titel (z.B. Unterbringungsverfügung, Wegnahmeverfügung etc.), Eine Begründung muss umso detaillierter sein je grösser die Einschränkungen der persönlichen Rechte sind. Die Rechtsmittelbelehrung, welche aus drei Teilen besteht, nämlich der Art des Rechtsmittel, die Behörde, bei welcher es geltend gemacht werden kann und die Frist innerhalb sie geltend gemacht wird. Wird die Frist versäumt, tritt die Verfügung in Rechtskraft und kann umgesetzt werden. Die Verfügung wurde am 26.10.1981 verfasst. Damals wohl frühestens am 28.10. zugestellt und somit frühestens am 07.11. in Rechtskraft getreten war. Allein dieser Umstand lässt die Unterbringung am 26.10. als rechtswidrig da stehen. Dass die Behörden damals sehr kreativ waren und sich gegenseitig Berichte zustellten, welche ihr Handeln begründen, egal ob es stimmt oder nicht, ist aufgearbeitet. Das Verwaltungsgericht stützt sich dann auf ein psychiatrisches Gutachten von 1982, deren Inhalt er retrospektiv betrachtet, die Verfügung von 1981 zu rechtfertigen (was für eine Ironie). Dabei unterstellt er mir noch ein Suchtverhalten. Dass die Suizidandrohung damals 1980 im Waisenhaus geäussert wurde war wohl dem Umstand der zwangsweisen Fremdplatzierung zuzuschreiben.

Die Verfügung hielt in Punkt drei fest, dass der Sozialarbeiter weiterhin die Aufsicht behielt. Warum? Die Vormundschaftsbehörde hätte höchstens einen Beistand nach Art. 308 ZGB ernennen können. Es wurde nie so etwas verfügt zu dieser Zeit. Auch hier fehlt eine Begründung. Hingegen geht aus einer Aktennotiz des Jugendamtes vom 08.07.1982 hervor: 
" Aufsicht über Thomas ohne Beschluss(s/Schreiben der VB an Fam. Reinacher vom 26.100.81), Herr ..., SDS, Oberaufsicht  RA."

Einige der erwähnten Unterlagen sind am Ende meines Blogeintrags aufgelistet. Link: Fuersorgerische Zwangsmassnahmen

Willkürliches Urteil des Verwaltungsgerichts Basel, Teil 2




Fuersorgerische Zwangsmassnahmen

Nur die Lüge braucht die Stütze der Staatsgewalt, die Wahrheit steht von alleine aufrecht. Thomas Jefferson


Am 01.06.2017 war ich im Staatsarchiv um meine Akten zu holen. Drei Wochen später reichte ich Antrag auf Solidaritätsbeitrag beim Bundesamt für Justiz ein. Ein Jahr später wurde mein Gesuch gutgeheissen und ich erhielt den Beitrag ausbezahlt. Im Anschluss begann ich die Unterlagen zu studieren und besorgte mir die damalig geltenden Gesetze. Grossen Dank geht an alle, welche die Wiedergutmachungsinitiative lanciert und durchgesetzt haben.

Dies ist meine Geschichte:

Ich war 13 Jahre alt als ich damals, am 26.09.1980, von einem Tag auf den anderen ins Waisenhaus Basel eingewiesen wurde, obwohl ich dagegen war. Rechtliches Gehör wurde mir keines geschenkt. Es wurde so ausgelegt, als wäre dies auf Antrag der Eltern erfolgt. Dazu wurde eine Vereinbarung mit den Eltern getroffen, diese legte man dann als freiwilligen Antrag beim Jugendamt vor, welches eine Verfügung nach § 43 Vormundschaftsbehördegesetz (VBG) erliess. Historisch ist aufgearbeitet, dass ähnlich in den meisten Kantonen vorgegangen wurde. Die Behörden waren kreativ Gesetze und Situation so auszulegen wie sie es brauchten.  Im Frühjahr 1981 schrieb ich innerhalb einer Woche drei Briefe an den Jugendanwalt und bettelte um Entlassung. Nach einer Selbstmordandrohung überwies man mich an die Kinderpsychiatrie und bat um Abklärung ob Selbstverletzungsgefahr bestünde. Im März 1981 weigerte ich mich zurück ins Waisenhaus zu gehen. Wie aus einem Bericht des involvierten Sozialarbeiter s zu entnehmen ist, stellte er selbst fest, dass er rechtlich keine Handhabe hatte mich weiterhin gegen den meinen Willen und jenem der Eltern unter Zwang unterzubringen. In seinem Bericht beschrieb er die schlimmsten Szenarien, wie, dass ich bis spät in die Nacht in Restaurants gesehen wurde und drei Schachteln Zigaretten geraucht hätte. Mit dreizehn. Wirklich! Das hiesse bei 5 Min. pro Zigarette 5 Stunden am Stück zu rauchen oder ununterbrochen 3,75 Zigaretten pro Stunde. Völlig absurd.  Woher sollte er übrigens diese Informationen her gehabt haben wollen. Hingegen äusserte er, dass es mir im Waisenhaus sehr gut gefallen hätte, was absolut absurd und aktenkundig widerlegt ist. Auch dies ist historisch aufgearbeitet und bestätigt. Man schrieb sich gegenseitig Berichte, wie man die Situation einschätzte und darin war man sehr kreativ, um sich später rechtfertigen zu können.

Bereits am Tag der offiziellen Entlassung aus dem Waisenhaus am 19.03.1981 stellte der Sozialarbeiter einen Antrag bei der Kinderpsychiatrie um umfassende psychische und physische Untersuchung. Er erhoffte Unterstützung um eine Heimeinweisung von Amtes wegen durchführen zu können. In ihrem Bericht schreibt sie am 09.04.1981, dass ein Wegnehmen des Kindes von den Familienangehörigen eher zu einer Verschärfung der psychischen Belastung führen würde. Eine Unterbringung auf Zwang empfiehl sie nicht. Es war deshalb auch nicht zum Wohle des Kindes wenn man es trotzdem tat. Damals diagnostizierte man eine affektive Retardierung, welche durch das Eintreten der Pubertät stärker zum Vorschein kam.  D.h. dass ich  v.a. in der sozialen Entwicklung zurückgeblieben war. Hauptsächlich schien ich auffällig zu sein, wenn ich in einer Gruppe war. Der Sozialarbeiter war mit dieser Stellungnahme der Psychologin höchst unzufrieden und stellte am 29.06.1981 erneut Antrag auf Unterstützung zu einer Heimeinweisung. So schrieb er: „...die Lage von Thomas in der Schule hat sich drastisch zugespitzt“. Und „Ich habe die Absicht, nach den Sommerferien schnell zu handeln und dafür zu sorgen, dass Thomas in einen guten erzieherischen und therapeutischen Rahmen hineinkommt und so auch eine Trennung zwischen ihm und der Familie möglich wird. Ich werde zu diesem Zweck – mit wenig Begeisterung – eine vormundschaftliche Massnahme im Sinne einer Erziehungsbeihilfe beantragen. Soweit ich die Angelegenheit bis jetzt überblicke, wäre es wohl günstig, wenn Thomas in die Psychotherapiestation eintreten könnte (ev. Kombination mit Aufnahmeheit“ (geschlossen) „oder dann als Alternative ein Eintritt in ein Schulheim, in einer gewissen Distanz von Basel (z.B. Chaumont, Erach etc.). Trotzdem distanzierte sich die Kinderpsychiatrie mit ihrem Schreiben vom 26.08.1981 von einer Unterbringung und Herausnahme aus der Familie unter Zwang. Jetzt handelte der Sozialarbeiter drastisch.
Eltern und ich Frühsommer 1981

Er lud alle - sich mit der Familie befassenden Personen – zu einer Sitzung ein. Auch das Jugendamt war vertreten. Aus einem Protokoll ist ersichtlich, dass man einige Weisungen der Familie auferlegen wollte und die Heimunterbringung regelte. Am 28.09.1981 legte man den Eltern einen Vertrag vor, welcher unter Punkt 3 die Heimeinweisung ins Schulheim regelte. Weiter hiess es: „Die Eltern und Thomas selber nehmen davon Kenntnis, dass eine Rückkehr von Thomas in die Familie vor dem Abschluss der obligatorischen Schulzeit nicht infrage kommt. Im Falle einer Herausnahme seitens der Eltern oder eines Weglaufens von Thomas wird die Angelegenheit unverzüglich dem Jugendrat zur Entscheidung vorgelegt“.  Allerdings wies man mündlich darauf hin, dass man dann das Sorgerecht entzöge, was völliger Blödsinn ist. Das ist vertraglich zu regeln überhaupt nicht möglich. Es wurde damit das Aufenthaltsbestimmungsrecht der Eltern behindert, faktisch eben entzogen, um das Gesetz zu umgehen. Gemäss Art. 2 ZGB und Art. 20 OR sehe ich in Punkt 3 die Nichtigkeit dieser Vereinbarung. Eine Einschränkung des Aufenthaltsbestimmungsrecht war ausschliesslich nach Art. 310 ZGB, ob von Amtes wegen oder auf Begehren der Eltern möglich. Würde man es anders auslegen wollen und sagen, das Gesetz wurde nicht umgangen, man habe dies im Sinne von Art. 310 ausgelegt, wäre ein Entscheid dem Jugendrat vorbehalten gewesen. Genau das wollte man nicht müssen. Am 08.10.1981 erhielt ich einen ziemlich bedrohlichen Brief des Sozialarbeiters, in welchem mir die Heimunterbringung mitgeteilt wurde.

Mit Schreiben vom 20.10.1981 stellte der Sozialarbeiter bei der Vormundschafsbehörde Antrag eine Verfügung anfertigen zu lassen, also nicht die Eltern stellten den Antrag.  Am 26.10.1981 erfolgte die Verfügung, wobei der Verfügungscharakter weitgehendst fehlt. Es gibt keinen Titel, keine eindeutige Begründung, welche je einschränkender das Eingreifen in die persönlichen Rechte war, umso detaillierter erfolgen musste. Auch fehlte eine Rechtsmittelerklärung. Es wurde sodann der gleiche Satz wie in der Vereinbarung übernommen und ergänzte, dass eine Einmischung der Eltern die polizeiliche Fahndung zur Folge haben würde. Dies ist eine Drohung ja sogar eine Nötigung. 2019 begründete das Verwaltungsgericht Basel, das Aufenthaltsbestimmungsrecht wäre nicht tangiert gewesen und diese Verfügung wäre ordentlich in Rechtskraft getreten. Ich sehe das etwas anders. Allem voran geht die Tatsache, dass § 43 VBG ein Begehren der Eltern voraussetzte und auf absoluter Freiwilligkeit aller Beteiligten basierte. Davon kann keine Rede sein. § 43 VBG verlangt nicht einfach eine Zustimmung zur Unterbringung durch die Behörden. Sowohl die Vereinbarung wie auch die Verfügung wurde nur den Eltern zugestellt. Als 14-jähriger konnte man nicht selbst eine Beschwerde einreichen. Selbst wenn man es so auslegen möchte, dass die Eltern eine Unterbrinung begehrten, hätte das Jugendamt sich dagegen Entscheiden müssen, da es gemäss Kinderpsychiatrie nicht dem Kindeswohl diente. Ein weiterer Punkt ist die aufschiebende Wirkung. Die Einweisung ins Heim erfolgte am 26.10.1981, gleichentags wurde diese Verfügung erstellt, am 27.10. versandt und am 28.10. zugestellt. Es hätte, falls eine Rechtsmittelfrist vorhanden gewesen wäre frühestens am 07.11.1981 eine Einweisung erfolgen dürfen. Auch dieses Vorgehen war meiner Meinung nach rechtsmissbräuchlich und die Unterbringung zum Zeitpunkt des 26.10. widerrechtlich.

Schulheim Klosterfiechten 1981



Das Schulheim trennte mich von der Familie und meinen Kollegen und dem gesamten gewohnten Umfeld. Schon die ersten Tage ging ich immer wieder kurzzeitig auf die Kurve. Ich konnte mich nicht eingewöhnen. Ich fühlte mich ausgesetzt. Auf dem Feld arbeiten, im Stall mitzuhelfen und täglich beobachtet, ja überwacht zu werden und in der Freiheit dermassen eingeschränkt zu sein, führte nach zwei Monaten dazu, dass ich nach den Weihnachtsferien erst zwei Tag auf die Kurve ging, dann vom Sozialarbeiter am 06.01.1982 zurückgebracht wurde, wobei der Heimleiter mir androhte den nächsten Ausgang nach Hause zu streichen. Ich sagte, dass ich dann halt einfach weglaufen würde. Daraufhin packte er mich am Kragen und am Hosenbund und schleuderte mich in den Radiator. Ich war ausser mir. Ich musste Druck abbauen, mich rächen. Ich zündete in der Eingangshalle eine Toilettenrolle an. Dies schien nicht zu imponieren. Nachdem ich einem anderen Jugendlichen sagte, ich würde das Heim anzünden, schien ihn dies nicht zu kümmern. Sodann zündete ich im Gruppenraum zwei Fenstervorhänge an und verbarrikadierte mich im Zimmer. Als man mich durchs Fenster erreichen wollte zündete ich auch dort einen Vorhang an. Der hauptsächliche Schaden war durch den Rauch entstanden. Das war die Quittung für das Handeln der Behörde. Die Polizei brachte mich in Untersuchungshaft  ins Aufnahmeheim. Das Klosterfiechten wurde als Schulheim 1987 geschlossen.
07.01.1982 - Polizeifoto



Es wurde gleich zu Anfang ein zweiwöchiger Aufenthalt in der geschlossenen Abteilung der Erwachsenenpsychiatrie eingeleitet. Von da an wurden mir sehr starke Psychopharmaka unter Zwang verabreicht. Es wurden mir 200mg Taractan  verabreicht. Gemäss Beipackzettel sind für Kinder und Jugendliche vorsichtig pro kg Körpergewicht 0,5 – 1,0 mg vorgeschlagen. Das wären damals wohl so um die 65 mg pro Tag gewesen. Bei einer Tagesdosis über 90 mg ist Bettruhe zu empfehlen. Tagesdosen von mehr als 150 mg sollten ausschliesslich unter stationären Bedingungen verabreicht werden. Besser wäre bei Jugendlichen unter 18 Jahre ganz darauf zu verzichten. Ich verbrachte vier höllische Monate im Aufnahmeheim unter Zwangsmedikation. Es wurde ein psychiatrisches Gutachten erstellt und am 19.05.1982 erwirkte der Jugendanwalt eine vorsorgliche Massnahme, welche mich erneut ins Waisenhaus, diesmal aber in die Lehrlingsgruppe brachte. Dort waren die Burschen 17-19 Jahre alt, ich war 14. Am 23.06.1982 erging das Urteil der Jugendstrafkammer nach Art. 82/89, 84/91 StGB. Die Kammer entschied sich selbst  den Unterbringungsort zu bestimmen und überliess es nicht dem Jugendamt, da dies gemäss § 31 JuStG / Art. 86bis Abs. 2 StGB erst nach vollendetem 15. Altersjahr möglich war, wenn die Massnahme nach Art. 91 Ziff. 1 weitergeführt wurde. Das Jugendamt hatte lediglich die Aufgabe diese angeordnete Massnahme zu vollziehen, die Beobachtung der Erziehung, der besonderen Behandlung und der weiteren Entwicklung, gemäss Art. 86bis Abs 1StGB.  Siehe auch ausführlicheren Post: 

Ich verblieb vier Monate im Waisenhaus. Der Anschluss in die Gruppe war nicht möglich. Wie sich in einem späteren Bericht des Waisenhauses zeigt, hatte man mich als krank im Kopf bezeichnet. Nicht gerade eine Einladung. Ich wurde als völliger Psychopath hingestellt. Komischerweise gab es zu Hause diese Probleme nicht, wie sie in den Heimen zum Vorschein kamen. Am 03.09.1982 erhielt ich von meinem Bruder Kenntnis, dass man mich wieder ins Aufnahmeheim einweisen würde. Ich ging gegen 17 Uhr zurück ins Waisenhaus und stellte die Erzieher zur Rede. Man bestätigte es und wollte am Abend ein Gespräch führen. Dazu gingen wir ins Restaurant. Es folgte ein lockeres Gespräch. Keineswegs war ich niedergeschmettert. Eigentlich war ich sogar erleichtert, wenn auch nicht glücklich zurück ins geschlossene Heim gehen zu müssen. Im Anschluss ging ich in mein Zimmer, es war schon später Abend und ich ging schlafen. Am nächsten Morgen, es war Samstag, wurde ich um 10.30 Uhr geweckt. Man forderte mich auf ins Büro zu kommen wo mir mitgeteilt wurde, dass ich die nötigsten Sachen packen solle. Anschliessend brachten mich zwei Erzieher ins geschlossene Aufnahmeheim. Es wurde gegen ein rechtsgültiges Urteil verstossen. In ihrem Abschlussbericht schreibt das Waisenhaus, ich hätte mich abgesondert, mich selbst verletzt und man hätte Selbst- oder Fremdverletzung nicht ausschliessen können. Nun hätte hierfür die Gefahr sehr akut sein müssen. Das Waisenhaus kannte das psychiatrische Gutachten, welches eine Borderline Symptomatik und ein präsuizidales Syndrom diagnostizierte, was heisst, es war diese Gefahr schon beim Eintritt vorhanden. Währe diese Gefahr verstärkt aufgetreten hätte man die Kinderpsychiatrie zuziehen müssen um dies abzuklären. Nichts davon wurde unternommen. Sich dann auf ein von Anfang an bekanntes Problem als Grund des Abbruchs zu benutzen ist ziemlich heftig. 


Am 14.09.1982, wurde eine sogenannte Vollzugsverfügung der Vormundschaftsbehörde kreiert. Es heisst dort, gemäss § 35 JuStG in Verbindung mit dem Urteil vom 23.06.1982 wird zur Abklärung der weiteren Unterbringung eine vorübergehende Einweisung ins Aufnahmeheim verfügt. Eine Rechtsmittelfrist fehlt. Eine Begründung fehlt. Man erwähnte zwar das Ziel, welches man anstrebte, nicht aber den Grund warum eine solche Massnahme nötig war. Von Selbst- und Fremdgefährdung keine Rede. Wollte man sich im Nachhinein darauf stützen, hätte das dort stehen müssen. Dann hätte ich mich auch dagegen wehren können. Das wollte man verhindern.  Auch hier war die aufschiebende Wirkung nicht entzogen. Die Verfügung hätte frühestens – falls eine Rechtsmittelfrist – vorhanden gewesen wäre, am 23.09.1982 in Rechtskraft treten können. Nun, zurück zu § 35 JuStG. Dieser räumte nicht das Recht eine Massnahmenänderung zu vollziehen. Eine Änderung der Massnahme unterstand dem Dreiergericht der Jugendstrafkammer gemäss § 36 JuStG. Das Vorgehen war meines Erachtens rechtswidrig. Gemäss Schreiben des Sozialarbeiters geht hervor, dass der Gerichtspräsident die Möglichkeit der Unterbringung im Aufnahmeheim telefonisch einräumte. Das lag auch nicht in seiner Kompetenz. Ich war damals 15 und es galt die Massnahme nach Art. 84 StGB (Kinder bis vollendetem 15. Lebensjahr). Erst mit 16 hätte die Massnahme nach Art. 91 StGB fortgeführt werden können und eröffnete den Behörden mehr Handlungsspielraum. Bei Kinder unter 16 war nur der Jugendanwalt und die Jugendstrafkammer zu Änderungen der Platzierung  Einzig legale Methode könnte ich darin sehen, dass man beim Jugendanwalt am Montag den Antrag auf eine vorsorgliche Massnahme hätte stellen können, gemäss § 26 JuStG. Hier hätte aber später ein Urteil das gleiche entscheiden müssen. Zudem wäre eine psychiatrische Abklärung nötig gewesen, welche die Selbst- oder Fremdgefährdung bestätigt hätte. Diese Gefahr hätte sehr schwer sein müssen und das Aufnahmeheim hätte bei einer solchen sehr schweren Gefährdung eine Überweisung in die Psychiatrie beantragen müssen. Die Behörden waren zufrieden mich im Aufnahmeheim zu sehen, hatten sie somit ihre Ruhe. Aus den Augen aus dem Sinn. Das Verwaltungsgericht sieht das 2019 anders. Das wäre alles höchst legal gewesen. Der Heimleiter der Aufnahmeheimes war unzufrieden über die Situation und informierte die Kinderpsychiatrie. Er beklagte sich, dass das Aufnahmeheim von den Behörden missbraucht würde und die Kinderpsychiatrie auch. Im Oktober stellten die Eltern und ich Antrag auf Entlassung aus der Massnahme. Nach erneuten Abklärungen durch die Kinderpsychiatrie fand eine Anhörung beim Präsidenten der Jugendstrafkammer statt und man änderte die Massnahme vom 23.06.1982 ab. Erfahrungen im Aufnahmeheim Teil 1 

Es hiess, die Unterbringung im Waisenhaus sei abzuändern in eine Erziehungshilfe. Dies wurde mit Erteilen von einigen Weisungen verbunden und vorsorglich gemäss Art. 93 StGB in Verbindung mit § 26 JuStG angeordnet. Das Gesetz, § 26 JuStG worauf er sich stützte, sieht eine vorsorgliche Massnahme vor. Von einer vorsorglichen Massnahmenänderung gab es gar nicht, würde auch keinen Sinn ergeben. Zudem, wie auch immer, sollte man diese Verfügung durchgehen lassen, hätte eine Hauptverhandlung innert angemessener Frist stattfinden müssen. Eine solche wurde zwar für spätestens Mai 1983 angekündigt, fand aber niemals statt.  Zudem urteilte der Richter nach Art. 93 StGB, für Jugendliche über 16 Jahre, was ich noch nicht war und auferlegt Weisungen, gemäss Art. 91 StGB, welcher ebenfalls für über 16-jährige anwendbar war, also widerrechtlich war. Ein Jahr und fünf Monate war ich bei den Eltern. Ich bemühte mich, nahm an den Familientherapiesitzungen teil, besuchte die Schule noch bis im Frühjahr 1983, dann war die offizielle Schulpflicht vorbei. Mein Sozialarbeiter wollte aber, dass ich noch ein Jahr länger die Schule besuchte. In der neuen Schule ging es überhaupt nicht. Mit meiner Vergangenheit war ich der absolute Aussenseiter. Der Sozialarbeiter meldete mich dann im Dezember, kurz vor Weihnachten, wieder von der Schule ab. Man zwang mich Arbeit oder eine Lehrstelle zu finden, was damals, wie auch die Kinderpsychiatrie feststellte, nicht so einfach war, insbesondere nicht in meiner Situation. Insgesamt absolvierte ich vier Schnupperlehren. Jobbte und trug Zeitungen aus. Das Jugendamt stellte bei der Jugendstrafkammer erneut Antrag auf Fortführung der Massnahme in einem Heim, wie auch der Sozialarbeiter. Die Beurteilung und Ablehnung eine erneute Fremdplatzierung zu unterstützen wurde erst, nachdem man bereits die Begehren beim Gericht einreichte, erstellt (s/Telefonnotiz Kinderpsychiatrie/Jugendamt vom 30.11.1984 am Ende des Textes, betreffend Stellung der Kinderpsychiatrie). Die Vormundschaftsbehörde begründete dies, dass ich zumindest gegen zwei Weisungen verstossen hätte, betreffend der Teilnahme der Familientherapie und regelmässiger Schulbesuch. Nun war es so, dass die gesetzliche Schulpflicht vorbei war und man mich darüber hinaus nicht zwangsweise verpflichten konnte. Also war kein Verstoss vorhanden. Die Familientherapie aufzuhören beschloss die Familie einstimmig. Es hätte keinen Sinn gemacht dort alleine hinzugehen. Man unterstellte mir, dass ich nicht fähig wäre für mich zu sorgen. Im Januar 1984 stellte man mir die Bedingung bis zur Verhandlung im Mai 1984 eine Lehrstelle zu finden, was nicht möglich war. Erneut wurde eine Massnahmenänderung vorgenommen, welche alle Unterbringungsmöglichkeiten einräumte, ausser eine eigene Wohnung und wohnen bei den Eltern. Eigenartigerweise hiess es hier, die Massnahmenänderung beziehe sich ebenfalls auf das Urteil vom 23.06.1982.  So standen jetzt zwei Massnahmen im Raum. Die eine verfügte Unterbringung bei den Eltern während die Andere das verbietet. Die Massnahmeänderung vom 23.12.1982 wurde nicht aufgehoben. Was ging da eigentlich ab (???). Ich sehe auch hier einen Rechtsmissbrauch. Die Kinderpsychiatrie, welche an der Verhandlung teilnahm, sagte zwar, dass es von Vorteil sein könnte, wenn man eine geeignete Unterbringung finden würde, sah aber keine Notwendigkeit einer solchen Fremdplatzierung gegen meinen Willen. Zudem sah sie es durchaus realistisch, dass ich hätte eine eigene Wohnung führen können. Es wurde rein willkürlich und vor allem unverhältnismässig entschieden, weil ich im System war. Ich wurde anschliessend in einer sogenannten Wohn- und Arbeitsgruppe im Zürcher Oberland untergebracht.

Wohn- und Arbeitsgruppe Grüningen 1984


Die Betreuer waren Laien. Es war völlig chaotisch. Da gab es keine Strukturen, jeder tat was er wollte. Selten ass man zusammen. Die Jugendlichen dort waren grösstenteils kriminell und brutal und es war deren letzte Chance nicht in eine Arbeitserziehungsanstalt zu kommen. Insbesondere gab es zwei Jugendliche, die mich schikanierten. Es gab Schlägereien zwischen den Jugendlichen und sogar einzelnen Betreuern. Es war für mich eine schlimme Zeit dort. Sie zerstörten meine privaten Sachen, schrieben böse Worte in mein Tagebuch und kommandierten mich herum. Meine Schreiben an die Behörden wurden so beantwortet, dass ich durchhalten müsse. Als Alternative bat man mir Unterbringung im Aufnahmeheim an. Hier konsumierte ich das erste Mal Haschisch, ich war 17 Jahre alt. Ursprünglich hätte ich im Herbst auf das Jugendschiff El Pirata gehen können. Angemeldet war ich schon. Da diese keinen Skipper fand, wurde das Projekt verschoben. In dieser WG konnte ich nur maximal 6 Monate bleiben, weshalb der Sozialarbeiter eine Alternative fand. Ich kam in eine Pflegefamilie im Oberbaselbiet. Die WAG wurde wenige Jahre später geschlossen. Ich glaube 1983 oder 1985.

Pflegemutter 1985


In der Pflegefamilie (es war nur eine alleinstehende Frau), fand ich zwei einigermassen ruhige Jahre. Im Dezember 1984 lief die El Pirata aus. Ich entschied mich dann nicht auf
das Jugendschiff zu gehen. Stattdessen verbrachte ich zwei Monate beim ältesten Sohn der Pflegemutter, welcher in Dänemark lebte. Die El Pirata kenterte auf ihrer Fahrt in der Biscaya und die Jugendlichen kamen alle ums Leben.
Meine Mutter liess sich in der Zwischenzeit scheiden und bezog eine 3-Zimmer Wohnung und hätte genügend Platz für mich gehabt. Dennoch wurde ich aus der Massnahme nicht entlassen. Auf Antrag wurde ich erst am 16. Dezember 1986 probeweise aus der Massnahme entlassen. Im April 1987 wurde die Massnahme, kurz vor meinem 20. Geburtstag, aufgehoben. Hätte ich wirklich die Möglichkeit die Schweiz für immer zu verlassen, würde ich dies tun.

Durch die Eingabe beim Verwaltungsgericht und der damit verbundenen Eventualbegründung wurde ich erneut stigmatisiert, indem man das damalige Vorgehen uneingeschränkt als rechtlich einwandfrei darstellte und die Schuld mir zuschrieb. Übrigens habe ich festgestellt, dass jugendliche Brandstiftungen, auch bei Wiederholung, keine Seltenheit in der Schweiz darstellen. 2008 waren es 229 Fälle. Die meisten werden mit Arbeitsleitung bestraft. Dass man Massnahmen über Jahre hinweg immer wieder anpassen und ändern konnte ohne, dass eine Notwendigkeit besteht ist nicht nachvollziehbar. Ich war nach 16-jährig nicht mehr delinquent.

Nach einigen härteren Jahre, welche ich jobbte, bekam ich eine Stellung beim Schweizerischen Bankverein, der heutigen USB, wo ich alle möglichen Kurse absolvierte und mich durch Job-rotation in allen Gebieten der Wertschriftenverwaltungen einarbeitete. Nach fünf Jahren und einem Wechsel der Vorgesetzten, kam es zum Streit. Obwohl ich auch heute noch dem Job nachtrauere bin ich froh, dass ich ausstieg. Ich absolvierte noch zwei Jahre auf dem Gymnasium. Als ich von meiner Krankheit erfuhr gab es für mich keinen Grund mehr weiter zu machen. Nach einem über ein Jahr dauernden Madagaskaraufenthalts erfuhr ich nach zwei Lungenentzündungen, dass ich im Endstadium COPD/Emphysem litt. Zehn Jahre lebte ich in den Tag hinein. Zwei Operationen 2007 und 2009 brachten kurze Zeit Linderung. Nach umfangreichen Voruntersuchungen worunter auch zwei psychiatrische Gutachten zählten um abzuklären, ob ich als Empfänger in Frage komme, entschied ich mich 2010 doch dagegen. Erst zwei Jahre später wurde mir bewusste, dass das Ende nahe ist. Ende 2012 entschied ich mich um. Ich musste nochmals einige Untersuchungen in einem drei Tage dauernden stationären Aufenthalt im CHUV Lausanne über mich ergehen lassen. Danach dauerte es noch einige Wochen, bis ich im März 2013 definitiv auf die Empfängerliste kam. Vom Samstag auf den Sonntag, dem 18.08.2013 um 3 Uhr morgens klingelte das Telefon. Ich dachte, wie dies schon öfters vorkam, es wäre jemand der sich, vielleicht im Suff, verwählt hatte und klickte das Gespräch weg. Zweimal. Beim dritten Mal nahm ich es entgegen und man sagte mir, dass man Lungen hätte und man nun den Transport nach Lausanne organisieren würde. Zu diesem Zeitpunkt war ich auf einen Rollstuhl und Sauerstoff angewiesen. Aufgrund der Zeit konnte ich mit der Ambulanz transportiert werden. Die Autobahn war frei. Die Operation verlief gut, aber es gab Komplikationen mit der Gallenblase. Diese musste dann operativ entfernt werden. Leider gab es weitere Komplikationen und ich musste sechs Mal unter Vollnarkose operiert werden bis man den Fehler fand. Es war ein Gallenleck entstanden, welches man letztlich durch eine konservative Operation und dem Einsetzen eines Stent behandelte. 20 kg verlor ich und musste künstlich ernährt werden. Ich bekam keinen Bissen mehr runter. Dies verzögerte den Aufenthalt im Spital. Nach 7 Wochen konnte ich nach Hause. 

Fazit: Während der gesamten Fremdunterbringung versäumte ich mehr Schulstoff als durch das Schwänzen. Meine Noten waren nicht schlecht. Im Schnitt hatte ich eine 5 (1= schlechteste Note, 6 = beste Note). Mein damaliges psychisches Problem konnte nur durch die psychologische Betreuung verbessert werden, nicht durch Zwangsunterbringung. Erst nach der Pubertät veränderte sich meine psychische Lage positiv. Während ich bei den Eltern war kam es nie zu Selbstmordgedanken oder Androhung von solchen. Es kamen keine Selbstverletzungen vor. Diese drastischen Symptome traten nur in den Anstalten auf, nicht zuhause bei  den Eltern.


Nachfolgend einige Dokumente, welche ich im Text erwähnt habe:
06. Erlass einer Verfügung durch Vormundschaftsbehörde 26.10.1981
07. Auszug Urteil Jugendstrafkammer 23.06.1982