Damals hatte ich Angst, dass ich - wie mir der Sozialarbeiter androhte - in einer psychiatrischen Beobachtungsstation oder einem geschlossenen Heim für längere Zeit untergebracht werden würde. Im ersten Gespräch mit dem Psychiater sagte ich dann dümmlicher Weise, dass ich mich, falls ich nicht zurück ins Schulheim könne genauso gut umbringen könne. Und schon war ich auf der geschlossenen Abteilung der Erwachsenenpsychiatrie untergebracht. Mit massiv überdosierten ruhigstellenden Medikamente wurde ich dort zwei Wochen ruhiggestellt. Ich durfte keine Kleider tragen und die Bettenstation nicht verlassen. Es gab keine Zeitungen, kein Radio, kein Fernsehen. Nur mich, Alkoholiker und Drogenabhängige auf Entzug, einen Mörder und zwei Aidspatienten. Der ideale Ort für einen 14-jährigen, zweifellos. Die Medikamente wurden mir weiterhin, also auch im Aufnahmeheim, verabreicht. Ich erhielt eine Dosis, welche eigentlich nur in stationärer Behandlung (150 mg) und unter Bettruhe (90 mg) abgegeben werden dürfte. Ich erhielt 200 mg Taractan. Üblich wären bis ca. 70 mg für mein Körpergewicht üblich gewesen.
Auszug aus dem Bericht der Psychiatrie |
Die Gemeinschaftsduschen waren im Keller, am Ende eines langen Ganges. Darüber lag die Wäscherei. Dort fanden die meisten Übergriffe statt, ob mit sexueller oder körperlicher Gewalt. Es ging meist um die Rangordnung. Die älteren versuchten über die jüngeren zu bestimmen. Ich bestand bald darauf alleine duschen zu dürfen, was mir gestattet wurde. Dadurch, dass mir meine Eltern jede Woche Zigaretten einschmuggelten konnte ich mir Probleme mit anderen Jugendlichen weitgehendst vom Hals halten. So konnte ich mich meist irgendwie freikaufen. Darüber hinaus brachten sie mir tonnenweise Süssigkeiten womit ich zusätzlich punkten konnte. Dadurch, dass ich solange im Aufnahmeheim einsass blieb ich dennoch nicht immer verschont. Es gab einen Tischtennistisch und ein Tischfussballtisch. Wenn also das Haus voll war gab es da immer Handgreiflichkeiten. Die Stärkeren konnten spielen, die schwächeren zusehen. Von Seiten der Erzieher waren es nur die Männer, welche Handgreiflich wurden. Es kam nicht regelmässig vor, wie Jahre zuvor, aber war trotzdem Bestandteil. Ich kann mich gut erinnern wie ein 13-jähriger sich wehrte, als er eingeliefert wurde. Der flippte völlig aus. Ein Muskelpaket von einem Erzieher, welcher Kampfsport betrieb, verprügelte ihn brutal. Ein weiteres Mal war es derselbe Erzieher, der eine Schlägerei mit einem Jungen hatte, welcher dann die steinerne Kellertreppe hinunterfiel und sich verletzte. Ich selbst bekam vor allem bei während diesem Aufenthalt mehrfach von einem älteren Erzieher Ohrfeigen. Er genoss es auch die Jungs zu demütigen und zu verspotten. Noch bevor ich entlassen wurde, wurde er pensioniert. Von einem anderen Erzieher wurde ich nur einmal, aber mit voller Wucht, in den Magen geboxt. So vergingen die Wochen und Monate, bis ich mit einer vorsorglichen Massnahme, nach über vier Monaten im Aufnahmeheim, ins Waisenhaus in die Lehrlingsgruppe versetzt wurde. Damals hiess es, dass bis dahin noch nie jemand so lange im Aufnahmeheim verbracht hatte.
Ausschnitt Urteil vom 23. Juni 1982 |
Wie es mir dort erging erzähle ich in einem separaten Post. Der Link wird dann hier erscheinen.
Meine Aufarbeitung anhand der damaligen Rechtslage schildere ich hier:
Fürsorgerische Zwangsmassnahmen
Weitere Artikel zum Aufnahmeheim Basel
Artikel BaZ von 2012. Interview mit drei Insassen des Aufnahmeheims Basel
Ein weiterer Bericht eines jugendlichen im Aufnahmeheim von 2008
Ein Sozialarbeiter im Aufnahmeheim erzählt von 2008
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